Kolumne von Ingrid Heinritzi

Die Zerreißprobe

2013 ist bisher nicht das Jahr der Rohstoffe. Nur einige Produkte aus dem Energie- und Agrarsektor zeigten eine steigende Tendenz. Vor allem Edelmetalle schmierten kräftig ab. Doch im zweiten Halbjahr könnte eine Besserung eintreten.

Schwein müsste man haben! Was im gesamten Leben sicherlich nicht schlecht wäre, trifft in den ersten 6 Monaten 2013 auf jeden Fall bei Anlegern zu. Denn mageres Schweinefleisch ist der Star unter den Rohstoffen. An der Chicago Mercantile Exchange (CME) stieg der Preis von "Magerem Schwein", Lean Hogs bei den Händlern in Chicago genannt, seit Jahresanfang um rund 19 Prozent an. Kein anderer Rohstoff kann so eine gute Entwicklung 2013 vorweisen.

Ein Grund für den Schweinefleisch-Boom dürften die Preise der Futtermittel gewesen sein. Denn auch der Preis für Sojabohnen kletterte im ersten Halbjahr um fast neun Prozent. Aus dem Agrarbereich verteuerten sich zudem noch Orangensaft, Ethanol, das vorwiegend aus Mais gewonnen wird, Baumwolle und Mehl. Mehl und Ethanol erreichten mit knapp 13 Prozent plus den zweiten und dritten Platz unter allen Rohstoffen.

Im Energiesektor hatte Erdgas die Nase vorn. Um 10,6 Prozent erhöhte sich der Wert des Energieträgers an der New Yorker Börse. Zwischenzeitlich hatte das Plus bereits deutlich mehr betragen, als die Wetterverhältnisse eine höhere Nachfrage in Nordamerika gebracht hatten. Auch Rohöl der Sorte WTI, was West Texas Intermediate bedeutet und in Nordamerika gebräuchlich ist, konnte um 6 Prozent zulegen. Im Gegensatz dazu verlor jedoch Öl der Sorte Brent, die in Europa als Basis gilt, rund 7 Prozent an Wert. Auch Benzin, Heizöl und der Flugzeug-Treibstoff Kerosin verloren zwischen 2 und 7 Prozent.

Ein Bereich, der überhaupt nur rote Notierungen in der Halbjahresbilanz zeigt, sind die Metalle. Ob Edel- oder Industrie-Metall, das dicke Minus steht vor jeder Prozentangabe. Der Verfall des Goldpreises dürfte Börsianern aufgrund der teils sehr plakativen Berichterstattung in der Tagespresse nicht entgangen sein. Und tatsächlich liegt Gold mit minus 28 Prozent in der Spitzengruppe der Verlierer. Nur das Schwestermetall Silber zeigt mit minus 38 Prozent ein schwächeres Ergebnis. Platin und Palladium halten sich gegenüber ihren edlen Verwandten mit minus 15 und minus 8 Prozent vergleichsweise gut.

Unter den Industriemetallen ist das Konjunkturbarometer Kupfer mit einem Minus von knapp 15 Prozent erwähnenswert. Doch auch alle anderen Metalle von Aluminium über Zinn und Nickel bis Blei verloren zweistellig.

Für Anleger wichtig ist nun jedoch, wie es mit den Preisen weitergehen wird. Ein Großteil der Kursbewegungen dürfte zum einen durch verunsicherte Investoren gekommen sein, die den Parolen einiger Großbanken Glauben schenkten, dass der Super-Zyklus der Rohstoffe vorbei sei. Ein zweiter Grund dürfte im Lagerabbau bei einigen Rohstoffen insbesondere bei Industriemetallen zu finden sein.

Betrachtet man einmal ganz nüchtern die weltweite konjunkturelle und demografische Lage, dann dürfte jedoch der Super-Zyklus der Rohstoffe noch kein Ende finden. Denn die Weltwirtschaft gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) wächst. Auch wenn nur mehr von einer Rate um 2,5 Prozent ausgegangen wird, dürfte dies reichen, um bei den Rohstoffen eine steigende Nachfrage hervorzurufen. Um so mehr, da das Welt-BIP-Wachstum vor allem in den aufstrebenden Ländern der Erde hervorgerufen wird. Dort liegt das Wachstum für 2013 und 2014 immer noch über 5 Prozent. In den Industriestaaten dagegen werden nur zirka 1,2 bis 1,5 Prozent geschätzt.

Ein Wirtschaftswachstum in China von rund 7 Prozent und Indien von 5 bis 6 Prozent wird jedoch die Nachfrage nach Industrie-Metallen, Energieträgern und Agrarprodukten weiter anheizen. Immerhin leben allein in diesen beiden Ländern mehr als 2,2 Milliarden Menschen. Zudem nimmt dort die Mittelschicht zu. Damit steigt die Nachfrage nach verbesserten Lebensbedingungen, die sich in Essensgewohnheiten und Wohnraum niederschlagen.

Auch wird das Sparen für die Zukunft besser ermöglicht. Aufgrund der Unsicherheiten in der weltweiten Finanzbranche, den Staatsschulden-Krisenherden und vor allem in den aufstrebenden Ländern Misstrauen gegenüber Regierenden, dürften Edelmetalle als Spar-Vehikel nicht ausgedient haben. Für langfristig agierende Menschen erscheint daher ein kleiner Gold- und Silberschatz weiterhin durchaus sinnvoll.

Favoriten unter den Rohstoffen für die zweite Jahreshälfte herauszufiltern ist gegenüber der langfristigen Betrachtung schon schwieriger. Doch Palladium und Platin gehören auf jeden Fall dazu. Denn der Autoabsatz in den USA und China nimmt zu, damit auch die Katalysatoren-Nachfrage. Palladium dürfte dabei das noch bessere Chancen-Risiko-Verhältnis besitzen. Ebenfalls aussichtsreich erscheint Kupfer. Das Angebot scheint aufgrund immer wiederkehrender Produktionsausfälle nicht signifikant zu steigen. Dagegen ist die Nachfrage weltweit robust. Zudem brauchen Produzenten höhere Preise, um Gewinn bringend zu bleiben.

Im Agrarbereich sind Vorhersagen dagegen extrem schwierig. Das zeigt zum Beispiel die diesjährige Monsun-Periode in Indien. Anfangs noch als normal eingestuft, gibt es jetzt Überschwemmungen und zu viel Regen, der die Ernte beeinträchtigen könnte. Das könnte gut für Baumwolle sein. Doch sollten aus anderen Erdteilen positive Meldungen über die Anbauflächen und Erntevorhersagen kommen, würde dies negativ für den Preis sein. Auch beim Schweinefleisch kann es zu leicht sinkenden Preisen kommen. Den berühmten Schweinezyklus hatten unsere Altvorderen nicht ohne Grund so genannt.