Chancen und Risiken der Atomindustrie nach Fukushima

Chancen und Risiken der Atomindustrie nach Fukushima

Die Reaktorkatastrophe von Fukushima hat in großen Teilen der Welt die Akzeptanz von Kernenergie deutlich reduziert. Während Deutschland sich zu einem kompletten Ausstieg aus der Kernenergie entschieden hat, setzen Länder wie Frankreich oder Russland weiter auf Atomstrom. In Japan wurden nach der Katastrophe alle 50 Atomanlagen zunächst stillgelegt, knapp drei Jahre nach dem Unglück gibt es nun aber "grünes Licht" seitens der Regierung, einzelne Anlagen wieder in Betrieb zu nehmen und hochzufahren.

Wenn die Kernenergie so gefährlich ist, warum wurden dann in der Vergangenheit überhaupt Atomkraftwerke gebaut? Atomkraftwerke liefern gleichmäßig großen Mengen an Energie, wobei sie im Gegensatz zu Kohle- oder Gaskraftwerken nahezu kein CO2 emittieren. Der Vorrat an Uran ist zwar (wie bei den fossilen Brennstoffen Gas, Erdöl oder Kohle) ebenfalls begrenzt, jedoch kann die Menge durch Wiederaufbereitung von Brennstäben deutlich erhöht werden. Zur Bereitstellung der sogenannten Grundlast (der Energiemenge, die ohne zyklische Spitzen stetig benötigt wird) stellt sie somit neben konventionellen Kraftwerken eine weitere tragende Säule dar.

Betrachtet man die Kosten, so ist es sehr schwierig, verlässliche Zahlen für den Strom aus Atomkraftwerken zu erhalten. Denn während die Befürworter (beispielsweise die Energieriesen) bei der Kostenrechnung auf die niedrigen Kosten pro Kilowattstunde im Betrieb hinweisen, so rechnen Kritiker gerne die Kosten für die Entsorgung der radioaktiven Abfälle, Endlagerung und Rückbau der Anlagen nach Betriebsschließung mit zu den Kosten. Zudem sehen Kritiker eine versteckte Subvention darin, dass der Staat sowohl für das massive Polizeiaufgebot zum Schutz eines Kastortransportes aufkommt, als auch die Haftung für Schaden bei Reaktorkatastrophen begrenzt ist, da die Folgen eines GAUs wie in Tschernobyl oder Fukushima nur in geringstem Umfang durch den Verursacher getragen werden können.

Gelingt eine Energiewende hin zu erneuerbaren Energien nicht hinreichend schnell und zu vertretbaren Kosten, so wird die Atomenergie sich voraussichtlich als weitere Säule im Energiemix etablieren. Diese Aussicht hat zu einem wahren Boom in der russischen Atomwirtschaft geführt. Der Leiter der russischen Atomenergieagentur ROSATOM, Sergej Kirjenko, meldete im Januar, dass aktuell 9 neue Atomkraftwerke in Russland im Bau wären und Bestellungen aus dem Ausland für weitere 20 Atomkraftwerke vorliegen würden. Darüber hinaus würde über den Bau von 40 weiteren Atomkraftwerken weltweit verhandelt. So erhielt ROSATOM beispielsweise erst im Dezember 2013 den Auftrag für den Bau eines Kernkraftwerkes in Finnland.

Nachdem die Nachfrage nach Uran nach dem Reaktorunglück in Fukushima zunächst deutlich zurückgegangen war, so erlebt der Markt jetzt eine Wiederbelebung der Nachfrageseite. Auch wenn in Deutschland der Ausstieg aus der Kernenergie beschlossen ist, so kämpfen die Großkonzerne um jede Stunde Restlaufzeit ihrer Meiler, um möglichst viel Gewinn abzuschöpfen. An dieser Stelle habe ich große Zweifel an die Verbindlichkeit der Aussage unserer Politiker. Und das nicht, weil ich Ihnen nicht glauben möchte oder sie einer bewussten Lüge bezichtigen möchte. Das Thema Energiepolitik ist inzwischen ein gesamteuropäisches Thema, und solange die Lösungsansätze von Staaten wie Deutschland und Frankreich derart weit auseinanderliegen, sieht ein gesamteuropäisches Energiekonzept möglicherweise anders aus als der deutsche Fahrplan zum Atomausstieg. Ein globaler Ausstieg aus der Kernenergie scheint zumindest momentan ganz weit weg. Trotz des Ausbaus von Wind- und Solarenergie wird die Nachfrage nach Uran als Brennstoff für die Reaktoren kurz- und mittelfristig eher steigen.

Ihr Manuel Giesen