Kolumne von Steve Ellis

Benötigen alle Portfolios ein gewisses Maß an Schutz vor besonders schlimmen Ereignissen?

In unserem letzten Artikel haben wir der Fähigkeit von Ratten, Wahrscheinlichkeiten exakter vorherzusagen als der durchschnittliche Fondsmanager, Beifall gezollt. Diesmal beschäftigen wir uns im Hinblick auf das Investment-Know-how mit der Schattenseite der "Ratten-Psychologie".

Es gibt nämlich einen Grund, weshalb man einer Ratte nicht das Management seines Portfolios anvertrauen würde. Denn ebenso wie Menschen unterliegen auch Ratten einem ausgeprägten Gruppenzwang. So belegen wissenschaftliche Studien, dass braune (bzw. norwegische) Ratten dazu neigen, eigene Erfahrungen auszuklammern und stattdessen das Verhalten ihrer Artgenossen zu kopieren ("Herdentrieb"). Der Drang, nicht aus der Reihe zu tanzen, ist dabei so stark, dass die Tiere sogar ungenießbares Futter fressen, wenn andere Ratten dies auch tun. Und schließlich analysieren wir auch eine positive Eigenschaft – ihre langen Schwänze.

Hedgefonds-Manager sind stets darauf bedacht, dem Markt einen Schritt voraus zu sein – sei es nun in Form einer Finanzanalyse oder einer Unternehmensinformation, die ihnen bereits vorliegt, bevor der ganze Markt davon erfährt und diese Information in seinen Kursen einpreist. Bei der Analyse eines Landes wie China, das so riesig und so komplex ist und die Weltwirtschaft gleichzeitig so maßgeblich beeinflusst, bedarf es allerdings eines extrem hohen Einsatzes, um sich einen solchen Informationsvorsprung zu verschaffen. Die wirklich besten Vermögensverwalter greifen in diesem Zusammenhang zwar nach wie vor auf die Expertise von Analysten vor Ort zurück, die Märkte konzentrieren sich allerdings lieber auf die allgemeinen Finanzkennzahlen, die von Peking veröffentlicht werden. Die vereinzelten Daten-Schnipsel ähneln dem sprichwörtlichen Stück Käse, mit dem man die nach Finanzzahlen lechzenden "Analyse-Ratten" fängt. Diese investigativen Ratten aber tragen Berichte und Charts zusammen und geben auf dieser Basis konkrete Empfehlungen ab. Die besonders wagemutigen unter ihnen machen sich auf die Suche nach Extra-Käseportionen, indem sie die Kupfer-Lagerbestände analysieren, um die offiziellen Statistiken zur so genannten tatsächlichen Endnachfrage zu widerlegen. Anschließend melden sie an das "Ratten-Hauptquartier", dass sie auf eine super Information gestoßen sind, und sagen ein Untergangsszenario voraus. Doch dann – peng! – wird wieder einmal eine pessimistische Zukunftseinschätzung durch offizielle Wirtschaftsdaten Lügen gestraft, die zeigen, dass der PMI für das produzierende Gewerbe seinen Aufwärtstrend (wieder) aufgenommen hat, woraufhin die Ratten ihre Portfolios erneut dem Gruppenzwang unterwerfen.

Das Problem bei solchen Prognosen besteht darin, dass man den (metaphorischen) Ratten niemals gestatten wird, das große Ganze zu sehen, weil finanzielle Ungleichgewichte und Schwierigkeiten von den chinesischen Behörden doch eher "versteckt" werden. Anfang 2014 haben die Behörden Chinas beispielsweise ein neuerliches finanzielles Desaster verhindert, indem sie mittels Notfall-Maßnahmen die Rückzahlung der ICBC-Anleihe sicherstellten, die in gebündelter Form zuvor an wohlhabende Investoren verkauft worden war. Falls die chinesische Regierung lokalen Investoren auch weiterhin aus der Patsche helfen sollte, ist es aber nur noch eine Frage der Zeit, bis sich die lokalen Finanzierungsprobleme auch auf staatlicher bzw. systemischer Ebene zeigen werden. Erst kürzlich ließ sich in den Schwellenländern beobachten, wie lokale Ereignisse das allgemeine Kreditwachstum, die Stabilität der Währung, das finanzielle Umfeld, die Zinskurven sowie die fiskalischen Zukunftsaussichten beeinträchtigen können.

Andererseits wird aber auch argumentiert, dass es für einen "Zusammenbruch des Marktes" zunächst einmal eines echten Marktes bedarf – was in China aber nicht der Fall ist. Vielmehr geben die Technokraten in Peking die Ergebnisse vor (platzieren das sprichwörtliche Stück Käse also vor den bereits allgemein bekannten Rattenlöchern). Zudem verfügt die chinesische Führung über die Macht, Korrekturen zu verhindern, und macht davon auch Gebrauch. In der Folge werden die zugrunde liegenden Ungleichgewichte deshalb immer größer. In meiner Kindheit haben wir Fußball nach "australischen Regeln" (also ohne Regeln) gespielt, und ich erinnere mich daran, dass wir immer gegen ein Team angetreten sind, dessen Mitglieder doppelt so groß waren wie wir. Mein damaliger Trainer pflegte dann immer zu sagen: "Je größer sie sind, desto tiefer fallen sie auch." (Wir haben dann zwar trotzdem verloren, aber die anderen sind mit schlimmeren Blessuren nach Hause gegangen.) Wenn die chinesischen Ungleichgewichte aber irgendwann mit einem dumpfen Geräusch auf dem Boden der Tatsachen aufschlagen, werden Sie sich für Ihr Portfolio jedoch einen gewissen Schutz wünschen. Schließlich sind diese Ungleichgewichte unter dem Strich betrachtet immens. Falls China wirklich "ein Elefant auf einem Fahrrad" ist (wie von einigen behauptet wird), dann wird die Erde erzittern, wenn dieser Gigant am Ende des Tages wirklich stürzen sollte. Gleichzeitig wird sich das ausländische Kapital aus dem Staub machen, was zu einem rasanten Einbruch des Renminbi führen wird. Zwar hat man den Handelskorridor dieser Währung erst kürzlich ausgeweitet, doch falls das Reich der Mitte seine Währung wirklich unverhohlen dazu nutzen sollte, eine Deflations-Pleite zu verhindern, könnte dies eine ganze Reihe von Ereignissen bis hin zu einem vollständigen Kollaps nach sich ziehen, den die chinesische Regierung dann nicht mehr unter Kontrolle haben dürfte.

Statt also wie ein Haufen Ratten unter Gruppenzwang umherzuirren, sollte man sich auf eine andere Eigenschaft dieser Tiere besinnen – ihre langen Schwänze! Diese helfen den Ratten nämlich dabei, das Gleichgewicht zu halten und ihre Körpertemperatur zu regulieren. Falls Sie also auch weiterhin ein ausgewogenes Portfolio anstreben und auch während einer Krisenphase einen kühlen Kopf bewahren möchten, müssen bereits im Vorfeld einer solchen Krise ausgefeilte und langfristig ausgerichtete Absicherungen installiert werden. Bei einer finanziellen Gauß’schen Verteilungskurve sind deren Ausläufer stets preiswert, sogar sehr preiswert, und in diesem Bereich dürften im Falle einer "harten Landung" Chinas gefühlt auch sämtliche möglichen Ergebnisse anzusiedeln sein. So haben wir beispielsweise versicherungsähnliche Anlageinstrumente mit asymmetrischen Ergebnisstrukturen in unser Portfolio (den Baker Steel Alpha Gold Fund, ISIN LU0654359693) integriert. Eine Investition in diese liquiden Instrumente mit langen Laufzeiten ist günstig. Außerdem schützen diese Instrumente unseren Fonds vor Ereignissen, deren Auswirkungen nicht eindeutig absehbar sind, und dienen in Phasen, die von Illiquidität und Marktturbulenzen bestimmt werden, gleichzeitig als Liquiditätsquelle.

Uns ist natürlich bewusst, dass ein schwerwiegendes Ereignis (z.B. mit einer Standardabweichung von 9 wie die LTCM-Katastrophe) oftmals auch noch mit einem anderen Ereignis einhergeht (erinnern Sie sich bitte an die Asien-Krise des Jahres 1997). Solche schwerwiegenden Ereignisse führen in der Regel zu einem Marktumfeld, an dem keine Normalverteilungstendenz mehr herrscht, und erinnern uns außerdem an das seltsame und außergewöhnliche Phänomen der so genannten "Ratten-Könige". Dabei rottet sich eine große Zahl von Ratten zusammen und verknotet ihre Schwänze unauflösbar miteinander. Seit dem Mittelalter wurde so etwas bereits mehrfach beobachtet. Obwohl sich diese Ereignisse nicht ausschließlich auf Deutschland beschränkt haben, traten die meisten dieser "Ratten-Könige" jedoch offensichtlich dort auf. Der mit 32 mumifizierten schwarzen Ratten bisher größte bekannte "Ratten-König" wurde 1828 im Kamin einer Mühle im deutschen Buchheim gefunden und wird inzwischen im Naturkundemuseum "Mauritianium" in Altenburg ausgestellt. Sollten wir unsere Portfolios also vielleicht eher gegen schwerwiegende Ereignisse in Deutschland absichern, anstatt uns um China Sorgen zu machen?