Gas: Das russische Dilemma
Russland und die Ukraine können sich im Gasstreit nicht einigen. Der Preis für das Gas ist ein Knackpunkt, die Rückzahlung von Schulden für bereits geliefertes Gas ist ein anderes Problem. Jetzt zieht Russland die Notbremse. Man liefert dem Land nur noch gegen Vorkasse Gas. Noch ist von Problemen in der Versorgung aber nichts zu merken.
Gasstreit trifft auch die EU
Nicht nur die Ukraine hat mit diesem Szenario ein Problem. Auch für Russland ist die Situation unangenehm, dient die Ukraine doch als wichtiges Transitland für das Gas, das Russland an die europäischen Staaten liefert. Im schlimmsten Fall könnte die Ukraine dieses Gas anzapfen oder die Leitungen dicht machen. Eine entsprechende Warnung hat der Energiekonzern Gazprom bereits ausgegeben. Das erhöht den Druck auf alle Seiten, einschließlich der EU.
Schon seit Jahren plant Russland einen Plan B, um die Ukraine bei den Gaslieferungen teils außen vor zu lassen. Das Stichwort lautet South Stream. Diese Gaspipeline soll durch das Schwarze Meer über Bulgarien und Ungarn die Länder der EU mit Gas versorgen. Die EU braucht das Gas, um die Versorgung mit Energie vor allem im Winter sicherzustellen, Russland ist auf die Einnahme dringend angewiesen, würde der Staatshaushalt ohne das Gasgeld doch in eine absolute Schieflage geraten. Somit ist Russland nicht nur in der mächtigen Position des Anbieters sondern zugleich auch von der EU abhängig.
USA bieten Flüssiggas an
Die Amerikaner wollen diese Pläne durchkreuzen. Sie wollen die Abhängigkeit der Europäer vom russischen Gas reduzieren und gleichzeitig die wirtschaftliche und auch politische Rolle Russlands im globalen Spiel der Mächte beschränken. Zugleich wollen sie selber gute Geschäfte machen. Daher wollen die USA Flüssiggas nach Europa liefern – via Schiff. Die Kosten sind natürlich deutlich höher als die Gaslieferungen via Pipeline aus Russland. Die derzeitige Krise in Osteuropa spielt ihnen somit in die Karten.
Zeitplan für South Stream ist nicht haltbar
Ob und wann wirklich Gas durch die South-Stream-Pipeline fließen wird, ist ungewiss. Der ursprüngliche Termin 2015 wird schwer zu halten sein, da Bulgarien das Projekt auf seinem Territorium gestoppt hat bzw. stoppen musste. Aus EU-Kreisen in Brüssel gab es Zweifel, dass es bei den Ausschreibungen und den Verträgen mit rechten Dingen zugegangen ist. Dies muss zunächst untersucht werden, bevor die Arbeiten weitergehen können. Bulgarien will die Pipeline, sie würde dem armen Staat neue Einnahmen verschaffen. Man kann es sich aber auch nicht mit Brüssel verscherzen, der Geldfluss von der EU ist zu wichtig für das Land.
Um die Sache noch komplizierter zu machen, ist die Koalitionsregierung in Bulgarien geplatzt. Wahrscheinlich noch im Juli wird es Neuwahlen geben. Ein Regierungswechsel ist nicht unwahrscheinlich, wenn man die Ergebnisse der Europawahl zugrunde legt. Dann würde die konservative Partei das Ruder übernehmen. Ob danach noch die russischen Partner 50 Prozent an dem Pipeline-Projekt in Bulgarien halten werden oder zu Zugeständnissen überredet werden, ist unsicher.
Selbst wenn danach die Probleme in Bulgarien kleiner werden, ist die Pipeline noch längst nicht in trockenen Tüchern. Rumänien und die Türkei könnten für Probleme sorgen. Verläuft die Pipeline im Schwarzen Meer doch durch Gewässer, welche zum Hoheitsgebiet der beiden Ländern gehören.
Die russische Position im Gasgeschäft ist demnach nicht so stark, wie es der Kreml gerne hätte. Es gibt ein feines Geflecht von Abhängigkeiten, jede Seite hat ihre starken und schwachen Punkte. Somit ist nur ein gemeinsames Agieren für alle Seiten wirklich konstruktiv. Das ist aber noch nicht bei allen Politikern angekommen.