Notenbanker warnen erneut vor Crash
Sehr geehrte Leserin, sehr geehrter Leser,
am Sontag hat die BIZ in Basel in ihrem Quartalsbericht erneut vor der trügerischen Ruhe an den Finanzmärkten gewarnt:
"Nach der volatilen Phase Anfang August war das Renditestreben – seit Mitte 2012 ein dominantes Thema an den Finanzmärkten – wieder voll im Gang. Bei praktisch allen Anlagekategorien sank die Volatilität wieder auf außergewöhnlich niedrige Niveaus, und die Risikoprämien blieben gedrückt. Die akkommodierende Geldpolitik förderte das Eingehen von Risiken und das Renditestreben und trug so weiterhin zu hohen Vermögenspreisen und ungewöhnlich gedämpfter Volatilität bei."
Sollte die Volatilität zunehmen, droht ein Crash mit Auswirkungen auf die Wirtschaft, denn:
"Obgleich zahlreiche institutionelle Anleger und sonstige Käufer von Anleihen mit wenig oder keiner Fremdfinanzierung operieren, könnten sie sich so verhalten als ob, und zwar infolge verbreiteter Indexierung, Verwendung relativer Performance-Kennzahlen oder dynamischer Absicherungen, um Verluste aus Optionsverkäufen oder anderen ertragssteigernden Praktiken auszugleichen. Resultat: Sie könnten gezwungen sein, bei fallenden Marktpreisen zu verkaufen. Dies wäre womöglich mit erheblichen Kosten – in Form von langsamerem Wachstum und restriktiveren Finanzierungsbedingungen – für die Wirtschaft verbunden."
Doch warum haben die Aktienmärkte bereits Anfang August trotz geopolitischer Unsicherheiten ihre Verluste wieder wettgemacht? Und warum sind z.B. die Kreditrisikoaufschläge wieder fast auf historische Tiefstände gesunken?
Die BIZ weiß es:
Die Bedenken wurden letztlich "von der Erwartung einer weiteren Lockerung der Geldpolitik im Euro-Raum verdrängt." Das heißt: Die Finanzmärkte hängen nach Ansicht der BIZ vollständig von der Geldpolitik der Notenbanken ab.
Zwei Worte genügen,…
Morgen wird das Fed um 20:00 Uhr MEZ über den Leitzins entscheiden. Die gesamte Finanzwelt wird dann wahrscheinlich auf diese zwei Wörter in der FOMC-Entscheidung achten: "considerable time". Wird sich das Fed weiterhin eine beträchtliche Zeit für die Zinswende lassen? Oder wird sie die Formulierung ändern?
Der Markt geht davon aus, dass das Fed die Zinsen Mitte 2015 angeben wird. Alles andere wäre eine Überraschung. Warum sollte das Fed den Markt überraschen wollen? Die Arbeitslosenquote ist auf 6,1 Prozent gesunken, das BIP ist im zweiten Quartal um 4,2 Prozent gewachsen. Das Fed dürfte also Kurs halten und die Formulierung "considerable time" entweder schon morgen oder im Oktober zusammen mit dem Ende von QE4 abändern. Bleibt morgen alles beim Alten, dürften sich die Börsen kaum bewegen. Wird die Zinswende angekündigt, könnte die Volatilität kurzfristig steigen. Doch einen Crash würde die Ankündigung wohl kaum auslösen.
Die entscheidende Frage lautet:
Wie gut geht es der US-Wirtschaft tatsächlich? Der Ölpreis fällt und fällt.
Das liegt nicht nur an der Ausweitung des Angebots durch den Fracking-Boom in den USA oder am starken Dollar. Nach Angaben der Internationale Energieagentur (IEA) ist die globale Öl-Nachfrage im zweiten Quartal nur um 500.000 Barrel Rohöl pro Tag gestiegen. So wenig, wie seit zweieinhalb Jahren nicht mehr. "Während das unaufhaltsame Wachstum beim unkonventionellen Vorrat in Nordamerika viel Aufmerksamkeit erhalten hat, ist vielleicht der Gegenwind bei der Nachfrage allgemein weniger bemerkt worden. Die jüngste Abkühlung beim Nachfrage-Wachstum ist in Tat außergewöhnlich." So die IEA. Auch die BIZ betont in ihrem Quartalsbericht, dass der Rückgang des Ölpreises auf dem Hintergrund der zunehmenden geopolitischen Unsicherheiten "überraschend" sei.
"Öl ist ein führender Indikator, daher ist die wirtschaftliche Erholung vielleicht schwächer, als wir denken", sagt Antoine Halff, der Autor des IEA-Berichts. Grund für den Nachfragerückgang ist nach Ansicht der IEA vor allem die schwächere Nachfrage aus Europa, Japan und China.
Und die USA? Die OECD hat gestern erneut ihre Wachstumsprognosen für die Weltwirtschaft gesenkt. Für die Euro-Zone erwartet sie für dieses Jahr nur noch ein Wachstum von 0,8 Prozent. Im Mai ging sie noch von 1,2 Prozent aus. Für die USA sieht sie nur noch ein Jahreswachstum von 2,1 Prozent nach zuvor 2,5 Prozent.
Janet Yellen wird morgen also ein Kunststück vollbringen müssen. Trotz abermals gesenkter Wachstumsprognosen wird sie vermutlich begründen müssen, warum sie wahrscheinlich Mitte nächsten Jahres die Zinswende einleiten wird.
Das ist eine große Chance für Antizykliker
Ich nehme an, dass sich das Fed morgen weiterhin vorsichtig optimistisch zeigen wird. Säße ich morgen unter den Journalisten in der Pressekonferenz, würde ich Frau Yellen nach der Stärke des US-Dollar und die möglichen negativen Auswirkungen auf die Exportwirtschaft fragen. Sie dürfte darauf kaum eine Antwort geben. Ich könnte mir aber vorstellen, dass der Dollar in dieser Woche noch um ein paar Punkte zulegen wird, dann an die obere Begrenzung seiner seit 2012 bestehenden Handelsspanne bzw. dem langfristigen Abwärtstrend dreht, um schließlich bis zum Jahresende rasant einzubrechen.
Gold wird wieder glänzen!
Der Goldpreis ist abermals unter Druck geraten. Doch bisher fühle ich mich in meiner Grundthese nicht widerlegt. Gold ist nicht weiter gestiegen, weil der Aktienmarkt noch nicht eingebrochen ist und z.B. der VIX absolute Sorglosigkeit am Aktienmarkt signalisiert. Gold – wie viele andere Rohstoffe auch – ist gefallen, weil der Dollar gestiegen ist.
Diese beiden Grundkräfte, die im Moment gegen Gold als sicheren Hafen wirken, könnten sich jetzt schlagartig zu Gunsten des Edelmetalls umkehren. So wenig sich der Aufwärtstrend des S&P 500 bis zum Mond zu verlängern wird, so wenig glaube ich, dass Gold in den letzten Kreis der Hölle fallen wird.
Ihr Thomas Rausch
Offenlegung gemäß §34b WpHG wegen möglicher Interessenkonflikte: Der Autor ist in den besprochenen Wertpapieren bzw. Basiswerten zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieser Analyse nicht investiert.