Eisenerz: Kein Ende des Abwärtstrends in Sicht
Der Eisenerzpreis hat sich in den letzten Wochen wieder ein Stück weit erholt und notiert mit gut 106 USD pro t rund 6 % über dem letzten Tief. Ursächlich für den kurzfristigen Preisanstieg – dem ein Preisrückgang von 144 USD bis auf 100 USD vorausging – waren Marktteilnehmern zufolge der sich verbessernde Stahlmarkt und die Erwartung einer Aufstockung der Lagerbestände der Stahlhersteller im Hauptverbraucherland China vor den Feiertagen.
Das mittel- und langfristige Bild aber zeigt keinerlei Anzeichen für deutlich steigende Preise. Im Gegenteil: Das Londoner Research-Unternehmen Capital Economics schätzt, dass der Eisenerzpreis bis zum Ende des Jahres wieder die Marke von 100 USD passiert und bis Ende 2025 sogar auf 85 USD pro t fällt.
Prognose sieht Eisenerzpreis Ende 2025 bei 85 USD
Als Grund führen die Analysten eine schwache Nachfrage aus China an. Der Immobilienmarkt der Volksrepublik stecke nach wie vor in einer Krise. Die sinkende Stahlproduktion und die Emissionskontrollen an hochverschmutzenden Hochöfen dürften die chinesische Eisenerznachfrage im Jahr 2024 um 1 % und in den Folgejahren um 2 % schrumpfen lassen.
Gleichzeitig planen dem am Dienstag veröffentlichten Bericht zufolge große Bergbauunternehmen im Saldo eine Produktionssteigerung. Dadurch entstehe ein Überschuss, den das Nachfragewachstum anderswo auf der Welt angesichts des Anteils Chinas am Weltmarkt von fast 70 % nicht auffangen könne.
Die Capital Economics Analysten sind sehr pessimistisch im Hinblick auf die weitere Entwicklung des chinesischen Immobilienmarktes. Die diesbezüglichen Prognosen verhießen "nichts Gutes für die Pläne der Eisenerzproduzenten, die Produktion hochzufahren".
Nachfragerückgang in China "unvermeidlich"
Andere Analysten vertreten ähnliche Standpunkte im Hinblick auf die chinesische Nachfrage. So schrieben etwa Simon Blumen und David Cachot von Wood Mackenzie in einem Bericht im Oktober: "Ein Rückgang der Eisenerznachfrage in Chinas Stahlwerken ist unvermeidlich. Eine Kombination aus sinkender Roheisenproduktion aus Hochöfen und der zunehmenden Verwendung von Schrott wird im nächsten Jahrzehnt zu einem Rückgang der chinesischen Eisenerznachfrage um rund 270 Mio. t führen, was 20 % des aktuellen Verbrauchs des Landes entspricht".
Ein Ersatz für die Nachfrage aus China ist vorerst nicht in Sicht, auch wenn Indien und südostasiatische Länder weiterhin hohe Wachstumsraten bei der Nachfrage nach Eisenerz verzeichnen. Indien jedoch kann seine Nachfrage weitgehend aus inländischer Produktion decken.
Rio Tinto bringt mit Simandou viel Angebot an den Markt
Die Probleme sind bei den Produzenten bekannt. Rio Tinto etwa meldete am Mittwoch die Produktionsdaten zum zweiten Quartal. Die Produktion lag mit 77,9 Mt um 2 % niedriger als im Vorjahresquartal, die Verkäufe gingen allerdings um 5 % auf 87 Mt zurück.
Dennoch arbeitet Rio Tinto im großen Maßstab an der Erschließung eines Megaprojekts. Der Vorstand hatte Anfang Februar endgültig die Investition in das seit Jahrzehnten überfällige Projekt Simandou in Guinea beschlossen. Simandou soll zur größten und hochwertigsten Eisenerzmine der Welt werden und 5 % der weltweiten Nachfrage decken.
Vale meldete am Dienstag für das erste Quartal eine Produktion von 70,8 Millionen Tonnen, was einem Anstieg um 6,1 % gegenüber dem Vorjahreszeitraum entspricht und die Überwartungen der durch Bloomberg befragten Analysten (68,2 Mt) übertraf.
Der Trend geht zu hochwertigen Erzen
Doch neben der nachlassenden Nachfrage aus China gibt es noch einen weiteren übergeordneten Trend auf dem Eisenerzmarkt: Die wachsende Nachfrage nach möglichst umweltfreundlich erzeugtem Stahl. Die Käufer, so glaubt Wood Mackenzie, werden "von Quantität auf Qualität" umsteigen.
"Der langfristige Übergang zu grünem Stahl bringt Anbieter hochwertiger, verunreinigungsarmer Erze in die Spitzenposition". Produzenten von Erzen mit geringerer Qualität müssten dagegen in Technologien für DRI-Prozess investieren.