Erdgas: Verträge mit Russland laufen aus - Europas Optionen liegen tief im Erdreich
"Seismische Daten sind der Schlüssel", sagt Chris Cornelius. Der CEO des kanadischen Explorationsunternehmens CanCambria Energy (ISIN: CA13740E1079, WKN: A3EKUB) ist auf dem Weg zum Hauptprojekt des Unternehmens nahe Kiskunhalas. Die Stadt im Süden Ungarns mit rund 26.000 Einwohnern liegt etwa eine Autostunde entfernt von Szeged, das für seine neobarocke Architektur und Gulasch bei Touristen berühmt ist.
Mit modernen seismischen Daten, so erläutert Cornelius, können CanCambrias Geologen genau jene Sande identifizieren, nach denen das Team im Pannonischen Becken sucht. Um Sand an sich geht es dem Explorer natürlich nicht: Das Unternehmen sucht in Ungarn nach Erdgas.
CanCambria Energy sucht in Ungarn nach Erdgas
Das Managementteam von CamCambria entschloss sich deshalb Ende 2023 für den Erwerb von Technologie für moderne 3D-Vermessungen. Die Investition scheint sich bereits bewährt zu haben, denn weitreichende Kenntnisse des Untergrunds sind für die Charakterisierung eines Erdgasvorkommens unerlässlich, damit Qualität und Verteilung der Lagerstätten vorhergesagt werden kann. Die Identifizierung sogenannter Sweet Spots in diesen tiefen, überdruckbelasteten Tight-Gas-Systemen ist laut der Experten "der Schlüssel zu hochproduktiven Bohrungen, die über die bisherigen Bohrergebnisse hinausgehen".
CanCambria setzt 3D-Seismik Volumenmodelle ein. Diese ermöglichen in Verbindung mit der Technologie der seismischen Inversion eine statische Geomodellierung und die Auffindung von Geokörpern mit schichtförmigen Lagerstätten. Dadurch können Geologen die aussichtsreichsten Bohrziele bestimmen.
Fokus auf Erdgas in tieferen Schichten
Die Förderung von Öl und Gas in Ungarn ist nicht neu, fokussierte bislang jedoch vorwiegend flache Vorkommen. Tiefere und anspruchsvollere HTHP-Lagerstätten (High Pressure, High Temperature) in einer Tiefe von etwa 3.000 Metern – wie sie nun durch CanCambria Energy exploriert werden – waren bislang kaum von Interesse. Dabei mehren sich nun die Anzeichen für große Vorkommen auch in der Tiefe.
Wenn diese Vorkommen mit Hilfe moderner Stimulationstechnologien erschlossen werden, kann eine Produktion von Tight Gas in Ungarn erreicht werden, die einen bedeutenden Beitrag zur Energieversorgung des Landes und seiner Nachbarn leisten würde.
Die Notwendigkeit dafür ist unübersehbar. Die Erschwinglichkeit von Energie bleibt laut einem Dokument, das Ungarn den Energieministern der EU im Vorfeld einer Sitzung vorgelegt hat, "ein dringendes Problem, da die Preise aufgrund geopolitischer Spannungen, Lieferkettenunterbrechungen und der Abhängigkeit von fossilen Brennstoffimporten schwanken",. Das Schreiben macht unmissverständlich klar, wie ernst es Budapest mit der Erschließung neuer Bezugsquellen ist.
Die EU hatte zuvor an die Mitglieder appelliert, sich auf eine "Welt ohne russisches Gas" vorzubereiten. Zum Jahreswechsel läuft der Transitvertrag für Gaslieferungen aus Russland über die Ukraine aus. Österreich, Ungarn und die Slowakei sind davon am stärksten betroffen. Allerdings erhält Ungarn auch in Zukunft weiter russisches Gas über die TurkStream-Pipeline – ebenso wie Bulgarien. Die Lieferungen nach Österreich waren durch Russland bereits im November eingestellt, aber in weiten Teilen durch andere Länder abgenommen worden.
An Alternativen zu russischem Gas, das noch immer einen wesentlichen Teil der europäischen Versorgung ausmacht, wird mit Hochdruck gearbeitet. Die Slowakei etwa bezieht nun Gas aus Aserbaidschan. Dazu hat der staatliche Energieversorger Slovenský plynárenský priemysel (SPP) einen Vertrag mit Aserbaidschans staatlicher Ölgesellschaft SOCAR abgeschlossen. Deutschland bezieht LNG-Flüssigerdgas u.a. von ADNOC aus den Vereinigten Arabischen Emiraten.
Die Türkei würde gerne ihre Rolle auf den europäischen Energiemärkten ausbauen. Das Land hat sich bereit erklärt, die Erdgasexporte in die Europäische Union deutlich zu steigern. Der wahrscheinlinste Weg dorthin ist allerdings der Reexport, also die unveränderte Ausfuhr von zuvor importierten aserbaidschanischem Erdgas aus der Türkei. Das würde wiederum den Import von mehr russischem Gas durch Ankara erfordern.
Alternativ zu Gas, das über Pipelines geliefert wird, kann Flüssigerdgas (LNG) herangezogen werden. Der Markt gilt jedoch aufgrund einer hohen Nachfrage aus Asien als angespannt. Europa muss deshalb eigene Quellen nutzen, um die Versorgung sicherzustellen und einen weiteren Anstieg der ohnehin hohen Gaspreise zu verhindern.
CanCambria CEO Cornelius verweist auf die bisherigen Erkenntnisse über das, was bei Kiskunhalas in der Tiefe verborgen liegt. Ein aktives Erdölsystem wurde anhand von drei Tiefbohrungen nachgewiesen, die Gas und beachtliche Mengen an Kondensat mit einem hohen API-Grad zutage gefördert haben. Mit seinem Projekt will das Unternehmen diese Entdeckung wirtschaftlich nutzen.
Die geologische Senke Kiskunhalas ist ein Sedimentbecken aus dem Miozän, das die richtige Mischung aus "reifen" Muttergesteinsschichten und Geokörpern mit schichtförmigen Lagerstätten in einer großen, zusammenhängenden "Überdruckfalle" aufweist. In dieser Konstellation können sich wirtschaftlich förderbare Gasreservoirs bilden.
Geologische Ähnlichkeiten zwischen Ungarn und Texas
Die Geologen von CamCambria verweisen in diesem Zusammenhang auf eine direkte Feldanalogie zu Granite Wash im Anadarko-Becken im Osten von Texas. Granite Wash enthält eine Reihe von Öl- und Gasförderformationen. Das Gebiet, das vom Granite Wash abgedeckt wird, ist etwa 258 Kilometer lang und 48 Kilometer breit. Die Tiefe variiert zwischen 3354 und 4667 Metern und die Dicke beträgt im Durchschnitt 914 Meter.
Dort werden täglich über 2 Bcf (Milliarden Kubikfuß) Gas gefördert. Einzelne Bohrlöcher erreichen in der Regel eine Anfangsproduktion von mehr als 10 MMcf (Million Kubikfuß) pro Tag. Die Lagerstättenausdehnung weist ähnliche geologische Rahmenbedingungen auf.
Den Geologen zufolge können viele unterirdische Messdaten von dort als Benchmark genutzt und die Performance der Bohrlöcher herangezogen werden, um die Unsicherheiten und Risiken in Zusammenhang mit dem Projekt Kiskunhalas stärker einzugrenzen.