Lithium im Fokus: Enger Finanzierungsmarkt trennt bei Explorern die Spreu vom Weizen
Der weite Blick über die McDermitt Caldera lässt kein Engegefühl aufkommen: Hier, im Grenzgebiet zwischen Nevada und Oregon, scheint die Landschaft so weit und offen wie an kaum einem anderen Ort. In prähistorischen Zeiten tobte sich an dieser Stelle ein Supervulkan aus, der 1.000 km³ Asche in die Luft blies und der Gegend für immer seinen topografischen Stempel aufdrückte.
Die Folgen sind bis heute sichtbar: In der McDermitt Caldera geben sich Geologen die Klinke in die Hand. Alte Seesedimente bergen einen der größten Schätze, den es im Batteriezeitalter zu heben gibt. Hier liegen beiden größten bislang entdeckten Lithium-Mineralressourcen in den USA mit einem Gesamtvorkommen von mehr als 40 Mio. t LCE.
Zwei Unternehmen sind in der McDermitt Caldera bezogen auf den registrierten Landbesitz besonders präsent. Lithium Americas, das die Lagerstätte Thacker Pass in wenigen Jahren zur Produktion zu bringen plant, besitzt 246 km² Land. Thacker Pass soll bald genug Lithium für 800.000 EVs produzieren. Chariot Corp. liegt mit 121 km² Landbesitz an zweiter Stelle.
In geologischer Hinsicht sind sich Lithium Americas und Chariot sehr ähnlich. Für das Chariot-Projekt "Resurgent East" etwa attestieren die Geologen sogar die gleichen Grabensedimente wie für die Lagerstätte Thacker Pass. Das Ablagerungsmodell von Thacker Pass bietet den Chariot Geologen zufolge ein Analogon für die Lithiummineralisierung bei Resurgent East.
So ähnlich sich die beiden Unternehmen geologisch sind, so groß sind die Unterschiede in der öffentlichen Resonanz. Chariots Managing Director Shantar Pathmanathan steht ungleich seltener im medialen Rampenlicht als Lithium Americas CEO Jonathan Evans.
Dies gilt auch im Verhältnis zu den Aktionären. Während Lithium Americas auf General Motors als größten Anteilseigner (und Abnehmer) zurückgreifen kann, werden bei Chariot 31 % der Aktien durch Board und Management gehalten.
Chariot trat in der McDermitt Caldera später auf den Plan als Lithium Americas: Erst, als das ganz große Interesse der Investoren an dem Batteriemetall schon ein Stück weit abgeflaut war. Seit dem Höhepunkt des Booms haben sich die Finanzierungsbedingungen deutlich verschlechtert. Dies gilt aufgrund gesunkener Rohstoffpreise besonders, aber keinesfalls ausschließlich für Explorer mit Bezug zu Lithium.
Rohstoffe: Die Pipeline leert sich
Rohstoffe stehen derzeit im Mittelpunkt geopolitischer und ökonomischer Debatten. Der Westen, so heißt es immer wieder, muss sichere und unabhängige Lieferketten für Batteriemetalle, Kupfer und andere kritische Mineralien aufbauen.
Diese Lieferketten fangen bei der Rohstoffexploration an. Explorationsunternehmen wie Chariot erkunden heute die Lagerstätten, in denen in einigen Jahren Lithium und Co. produziert werden. Doch die Projektpipeline ist gestört: Explorer gelangen immer schwieriger an das benötigte Kapital.
Ein wesentlicher Teil der Finanzierungen findet über sogenannte Privatplatzierungen statt. Ein kanadischer Branchendienst, der sich auf die Erhebung und Bereitstellung von Daten zum Privatplatzierungsgeschäft spezialisiert hat, berichtet speziell für Lithium seit mehreren Jahren über eine schwache Entwicklung.
So seien im Jahr 2023 Privatplatzierungen für Lithiumprojekte im Umfang von gut 530 Mio. USD abgeschlossen werden – nicht einmal halb so viel wie 2021 (1,16 Mrd. USD) und weniger als 2018 (608 Mio. USD).
Dabei tönt es aus den Amts- und Redaktionsstuben, aus den Parlamenten und Regierungssitzen und aus den Research-Abteilungen der Großbanken unisono: Die Welt braucht mehr Lithium – und zwar deutlich mehr und sehr schnell.
Hohe Zinsen – und die Politik
Dass die Finanzierungsbedingungen für Explorer derzeit schlecht sind, ist auch auf die hohen Zinsen zurückzuführen. Diese verteuern nicht nur Fremd-, sondern auch Eigenkapital. Auch der wieder stärkere US-Dollar spielt eine Rolle. Viel Kapital für den Bergbau stammt von internationalen Investoren, deren Einstieg sich bei einem starken Greenback verteuert.
Doch das allgemeine Kapitalmarktumfeld kann die schlechte Stimmung bei vielen Explorern allein nicht erklären. Die Unternehmen sehen auch Versäumnisse der Regierungen -insbesondere westlicher Regierungen.
Aufsehen erregte kürzlich das kanadische Unternehmen Falcon Energy Materials (ehemals SRG Mining). Falcon verlegte den Firmensitz von Kanada in die Vereinigten Arabischen Emirate. CEO Mathieu Bos bringt es unverblümt auf den Punkt: "Wir glauben, dass wir im Nahen Osten mehr Geld sammeln können als in Kanada".
Bos berichtet von Anrufen durch Kollegen. Führungskräfte anderer Unternehmen hätten sich nach Erfahrungen mit der Standortverlagerung erkundigt – dem CEO zufolge "mehr als nur einige". In Kanada zeigt sich, dass die bisherigen Strategien westlicher Regierungen zum Aufbau von Rohstoff-Lieferketten einen blinden Fleck aufweisen: Das benötigte Kapital für Explorer und Developer – Risikokapital also.
China ist ein wesentlicher Akteur in der globalen Bergbaufinanzierung – im Westen aber aus geostrategischen Gründen oft unerwünscht. Das gilt auch in Kanada: Falcon Energy hatte im Juni 2023 eine knapp 17 Mio. USD schwere Finanzierungsrunde angekündigt. Die chinesische Carbon ONE New Energy Group (C-One) wollte für diesen Betrag 19,4 % der Anteile erwerben.
Doch die kanadischen Behörden zierten sich so lange, bis das Management sich zum Umzug entschloss. "Letztendlich liegt es im Ermessen des Ministers, was er genehmigt und was er noch überprüfen will", sagte Bos. "Aber als Junior-Unternehmen haben wir nicht immer die Zeit, mehrere Quartale oder ein Jahr auf diese Art von Genehmigungen zu warten."
Die Ironie der Geschichte: Falcon Energys Zielmärkte liegen in Europa. Das Unternehmen will eine vollständig integrierte Quelle für Batterieanodenmaterial entwickeln, um die europäischen Lithium-Ionen- und Brennstoffzellenmärkte zu beliefern.
Projekte mit guter Geologie bleiben aussichtsreich
Chariot Managing Diretor Shantar Pathmanathan ist zuversichtlich, das Projekt in den USA dennoch zum Erfolg führen zu können – und zwar ohne Verlagerung des Firmensitzes zur Investorensuche. Zu dieser Zuversicht trägt auch bei, dass Chariot über ein Beteiligungsportfolio verfügt, das durch Veräußerungen Liquidität in die Kassen spülen kann.
Zuletzt wurden etwa mehrere nicht im Fokus stehende Lithiumprojekte in Nevada an drei verschiedene Käufer veräußert. Auch ein Portfolio von sieben Lithiumprojekten in Westaustralien ging über die sprichwörtliche Ladentheke.
Auch, weil für die sieben Projekte eine NSR von 2 % vereinbart wurde, will Chariot die Veräußerung nicht als Substanzverlust, sondern als Fokussierung auf das Hauptprojekt verstanden sehen. In einem schwierigen Finanzierungsumfeld fallen Veräußerungen von Nebenschauplätzen naturgemäß einfacher als Kapitalerhöhungen.
Zum anderen glaubt Pathmanathan an die harten Fakten der Machbarkeitsstudie, die Lithium Americas für das benachbarte Thacker Pass durchführen ließ. Die Studie taxiert die Betriebskosten pro Tonne Lithiumcarbonat auf 6.743 USD. Bei einem angenommenen Lithiumpreis von 24.000 USD pro Tonne – was ca. 75 % unter dem bisherigen Höchstpreis liegt – könnte Lithium Americas die veranschlagten Kapitalkosten in weniger als 3,5 Jahren verdienen.
Bestätigen sich die Hoffnungen der Chariot-Geologen und legt der Lithiumpreis wieder zu, könnte "Resurgent" in den Schlagzeilen rasch an Sichtbarkeit gewinnen – und damit auch bei Investoren.